Interview des VDID, Regionalgruppe Berlin-Brandenburg mit Günter Höhne, September 2009 zum Erscheinen seines gleichnamigen neuen Buches
2009 jährt sich der Fall der Mauer zum 20. Mal. Gibt es noch Beispiele von DDR-Design, die uns im Alltag begegnen?
Ja, da muss ich jetzt erst einmal rückfragen: Was verstehen Sie hier unter DDR-Design? Wenn es um Produkte geht, die noch in der DDR entworfen und hergestellt wurden und die bis heute nicht nur überlebt, sondern sich weiter entwickelt haben – dann ist ein gutes Beispiel das Kommunalfahrzeug Multicar. Er wurde seit 1958 in Waltershausen/Thüringen hergestellt und konnte z. B. als Kleintransporter oder mit einer Leiter versehen zum Auswechseln der Straßenlampen oder bei anderen Reparaturarbeiten und als Schnee-, Räum- und Straßenreinigungsfahrzeug eingesetzt werden. Diese Fahrzeuge von damals und ihre designpreisgekrönten Nachfolger der 1990er und 2000er Generationen sind bis heute im Einsatz, gestaltet wie eh und je von dem Thüringer Designatelier gotha design & marketing GmbH.
Welches Beispiel fällt Ihnen ein, wo es nicht gelungen ist, ein erfolgreiches Produkt für den gesamtdeutschen Markt zu erhalten?
Da gibt es unter anderem den traurigen Fall VERITAS. Die DDR hatte die weltweit effizienteste Nähmaschinenproduktion mit dem VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge: Hier wurden Ende der 1980er Jahre täglich 1.500 Qualitäts-Nähmaschinen produziert! Nach der Wende ging das hochmoderne Werk in treuhänderische Verwaltung über; [paycontent]diese setzte halbherzig auf einen Scheininvestor aus Fernost, der dann verschwand, und so ging der ganze Betrieb die Elbe runter. Und das, obwohl Anfangs PFAFF Teile der Produktion übernehmen wollte – die wussten nämlich, welchen Wert und welche Qualität das Werk hatte. Für mich war das staatliches Missmanagement, am Ende dann aber auch eine bewusste Konkurrenzausschaltung wie bei ähnlich potenten ehemaligen VEB.
Aber es gibt doch auch positive Beispiele, wo sich Marken und Hersteller nach der Wende am gesamtdeutschen Markt nicht nur behaupten, sondern auch eine herausragende Stellung eingenommen haben. Nehmen wir beispielsweise das Porzellan-Unternehmen Kahla.
Ja, Kahla ist natürlich ein gutes Beispiel. Da ist zumindest die Marke noch vorhanden, auch wenn es inzwischen natürlich neue Formen sind, die produziert werden. Die Keramik- und Porzellanbranche ist ja in mehrerlei Hinsicht in einem historischen Umbruch. Kahla wurde übrigens nach der Wende durch den Marketingchef von Rosenthal gerettet, Holger Raithel war das. Er hat damals nicht zusehen können, dass neben Colditz auch das traditionelle Kahlaer Werk seine Öfen ausschalten sollte und ein gutes Gespür auch damit bewiesen, dass er Barbara Schmidt zur Designchefin gemacht hat. Sie hatte 1990 in Halle (Burg Giebichenstein) ihr Diplom gemacht. Und sie ist bis heute die Designchefin von Kahla.
Wie viel Einfluss hatten Partei und Politik auf die Designentwicklung in der DDR?
Also, es ist ja so – nach meinen Erfahrungen und nach dem, was ich aus der Geschichte weiß, gab es wohl im internationalen Vergleich kein anderes Beispiel nach 1945, dass sich die Politik so vehement, so rabiat und kontinuierlich in die Gestaltungskultur von Industrieprodukten eingemischt hat, wie das in der DDR der Fall war. Das waren von oberster Ebene inszenierte Eingriffe, bis hin zu empfindlichen Sanktionen gegen Entwerfer und Hersteller. Parteidiktatur ohne Wenn und Aber, ohne Sinn und Verstand. 1950 gab es die erste stalinistische Formalismusdebatte, die letztlich u.a. Mart Stam aus dem Land getrieben hat. Sie hing zusammen mit der Errichtung des Eisernen Vorhangs und dem im Ostblock (freilich auch nicht ganz grundlos) inszenierten Antiamerikanismus im Kalten Krieg. Er sollte auch die Abschottung von der westlichen „Unkultur“ bewirken. Damit einher ging irrsinniger Weise auch eine Verteufelung der Bauhaus-Ideen. Diese Debatte hatte Auswirkungen bis in die Mitte der 1950er Jahre. 1956 war dann der 20. Parteitag der KPDSU mit der Aufdeckung der Stalin-Verbrechen. Das brachte zunächst eine etwas weichere Zeit für die Formgestaltung, machte auch moderne Formexperimente möglich. Bis dann Anfang der 1960er Jahre noch einmal ein Rückschlag seitens der Altstalinisten in der SED-Führung erfolgte. Aber ab Mitte der 1960er Jahre erhöhten sich wieder die Chancen für die Formgestalter in der DDR, ihre Qualitätsansprüche zunehmend in die industrielle Fertigung zu überführen.
Wie veränderte sich die Situation nach dem Bau der Mauer 1961?
Vor dem Mauerbau fand eine empfindliche Fluktuation von Menschen, Material und Wissen in den Westen statt – gerade auch in dieser Aufbruchstimmung, die ich gerade nannte. Das fanden viele natürlich nicht so gut. Und als dann 1961 die Grenze zum Westen dichtgemacht wurde, haben das einige auch durchaus begrüßt, in Berlin und Brandenburg natürlich erheblich weniger als in Sachsen und Mecklenburg. Die Mauer schien nun ein störungsfreieres Arbeiten zu ermöglichen. Deshalb fand ab 1962 zunächst ein deutlicher Aufschwung in Produktion und Entwicklung statt, viele meinten, nun breche auch eine Blütezeit der Moderne an in der DDR. Während es in Wirtschaft und Wissenschaft tatsächlich einen Aufschwung gab, verschärfte sich in den 1960er Jahren wiederholt der kulturpolitische Kurs der SED. Auch die Formalismusdebatte entflammte erneut. 1962 kam es auf der Deutschen Kunstausstellung in Dresden zum Eklat zwischen der angewandten Kunst und der Parteiführung, nachdem im „Neuen Deutschland“ ein Hetzartikel gegen in Dresden vorgestellte funktionalistische Produktgestaltungen veröffentlicht worden war. Das muss man sich vorstellen: Ein Artikel im ND hatte zur Folge, dass moderne Experimente oder gar serielle extraordinäre Entwürfe noch einmal für drei bis vier Jahre ausgebremst wurden. Es war wirklich so, dass die Partei ein radikales Kulturdiktat in Bezug auf Design verordnete, flächendeckend und bis in die Kaffeetasse hinein! Designpolitik in der DDR bedeutete besonders in dieser Zeit „Politik ins Design“ oder auch „Politik mit Design“ – nicht „Politik fürs Design“.
In der BRD wurde 1951 der Rat für Formgebung gegründet. Welche Institution gab es alternativ in der DDR und mit welchem Ziel?
In der DDR gab es ebenfalls seit Anfang der 1950er Jahre zentrale Design-Förderinstitutionen, unter hin und wieder wechselnden Namen. Aus ihnen ging 1972 das staatliche Amt für industrielle Formgestaltung hervor. Das AiF zählte übrigens zu den größten öffentlichen Designinstitutionen weltweit und sammelte internationales Renommee bei Auftritten seiner Vertreter auf den ICSID-Weltkongressen. Als Instrument der SED-Wirtschaftspolitik hatte es u.a. die Aufgabe, die Gestaltungsarbeit in der Industrie anzuleiten und zu kontrollieren. So vergab es seit 1978 die Auszeichnung „Gutes Design DDR“ an Hersteller in der DDR, in den späten 1980er Jahren auch international auf den Leipziger Messen.
Wie politisch war die Arbeit des AiF zu bewerten?
Über das AiF wurde indirekt, dabei aber immer ganz klar SED-Wirtschafts- und Außenhandelspolitik betrieben, leider auch Personalpolitik: Die Arbeitsmöglichkeiten von freiberuflichen Designern wurden erheblich eingeschränkt durch die rigide Zulassungspolitik des AiF. Denn wer als freier Designer arbeiten wollte, musste dafür eine sogenannte Berufszulassung beantragen. Und die Vergabepolitik wurde seit den 1970ern zunehmend restriktiv gehandhabt. Denn eigentlich war es das Interesse des AiF nicht, dass Designer freiberuflich arbeiteten. Durch die Erfüllung der Planaufgaben auch im Design war der Bedarf an angestellten Designern in der Wirtschaft sehr hoch, und das AiF teilte nach festgelegten Zuwachsquoten die Designer der Industrie und den Betrieben zu. Daher wurde die freiberufliche Zulassung zunehmend verhindert, insbesondere für Industriedesigner.
Welchen Einfluss hatten insbesondere die Jahrespläne auf Design?
Einen sehr großen. In den 1980er Jahren gab es z. B. einen zentralen Parteibeschluss, nach dem 60% aller Industriegüter der DDR mit dem Zertifikat „Gestalterische Spitzenleistung“ (SL) ausgezeichnet werden mussten. Diese Produkte sollten absoluten Welt -Qualitätsstandard in der Designqualität aufweisen. Das zu erreichen, war nicht nur pure Theorie, sondern Illusion. Um das hohe Plansoll dennoch zu erfüllen, haben am Ende nicht selten Funktionäre der Partei durchgesetzt, wo das Gütesiegel SL anzubringen war! Motto: Augen zu und durch, Beschluss ist Beschluss.
Wie erfolgte der Informationsaustausch auf fachlicher Ebene z. B. zwischen der DDR, Ungarn und Polen?
Es fand eigentlich ein permanenter Austausch auf Arbeitsebene statt. Was öffentliche Veranstaltungen oder Ausstellungen betraf, taten sich hingegen teilweise große zeitliche Lücken auf. Es gab auch erstaunlich wenige Kongresse zu designrelevanten Themen. Eine erste große Gemeinschaftsausstellung „Design 1985“ der sozialistischen Länder gab es erst 1985 auf Initiative der Sowjetunion und des AiF. Markanterweise fand ein globaler Austausch beinahe intensiver statt als mit den sozialistischen Nachbarländern. Diese Plattform bot der ICSID mit seinen kontinuierlich stattfindenden Generalversammlungen. Natürlich wurde das genutzt, um Präsenz zu zeigen. Im übrigen wurde im Ostblock die DDR-Produktkultur oft als der „Westen des Ostens“ angesehen. Ohne Frage waren dem offiziellen Ost-West-Austausch auch Grenzen gesetzt. Ab 1986 (das war übrigens das Jahr des Wirksamwerdens des deutsch-deutschen Kulturabkommens) konnte ich als Chefredakteur von form+zweck ab und zu ins IDZ, ins Bauhaus-Archiv und zum Informationsaustausch mit Designlehrenden an der damaligen HdK, heute UdK, nach Westberlin fahren, der Leiter des AiF, Staatssekretär Martin Kelm, jedoch nicht. Grund: Da er als offizieller Vertreter der DDR fungierte, war für ihn eine Reise in die „selbständige politische Einheit“ West-Berlin so einfach nicht möglich. Nach Kanada, Holland, Finnland, Westdeutschland konnte Kelm offiziell reisen, aber die Arbeitskontakte zu Westberlin oblagen anderen AiF-Mitarbeitern wie mir. Diese inoffiziellen Kontakte waren meiner persönlichen Erfahrung nach übrigens sogar oft fruchtbarer für die Design-Aktiven auf beiden Seiten als die „auf hoher Ebene“.
In der BRD gab es den Deutschen Werkbund und die Ulmer Schule. Hatten deren Ideen Einfluss auf Strömungen bzw. Schulen in der DDR?
Die Lehre und Ziele der Schulen waren immer präsent in der DDR. Die Haltung (Lehr- und Zielideen) des Werkbundes und des Bauhauses waren von Anfang an bei Lehrenden und aktiven Designern vorhanden: vielleicht nicht bei sehr vielen, aber bei ein paar Maßgeblichen. Was in Ulm ab 1958 gemacht wurde, war in Weißensee schon seit ´48 angedacht und teilweise praktiziert worden. Die Grundlagenlehre etc. basierte ja weitgehend auf den Erfahrungen der Methodik des Bauhauses. Ende 1958-60 schauten Weißenseeer Studierende und Absolventen mit großen Augen nach Ulm, trafen vor dem Mauerbau in Westberlin auf Ausstellungen (z.B. die Funkausstellung) und auf gerade d i e Produkte und Denkweisen, die sie selbst verfochten; im Prinzip sahen sie dort vielfach ihre in der DDR nicht umgesetzten ähnlichen Entwürfe. Die jungen Kollegen in Ost und West hatten keinerlei Differenzen, was gute Gestaltung und die grundlegenden Gestaltungsansätze betraf. Zwischen Weißenseeern und Ulmern bestand große Ideen- und Zielübereinkunft.
Wie wurde die Schließung der HfG in Ulm 1968 in der DDR aufgenommen?
Mit Enttäuschung und Bedauern. Man fühlte sich solidarisch verbunden, und zwischen nicht wenigen Ulmern, Weißenseeern und Hallensern gab es sehr persönliche Kontakte. Im Heft 1/1968 der Zeitschrift form+zweck wurde ein Flugblatt der Mitarbeiter und Studierenden der HfG zur angekündigten Auflösung der Schule 1:1 als Einleger abgedruckt. Auch in der Kulturpresse der DDR (z.B. dem „Sonntag“, heutiger „Freitag“) wurden entsprechende Artikel veröffentlicht.
Zu DDR-Zeiten gab es als einzige Designzeitschrift, form+zweck, deren Chefredakteur Sie zeitweise waren. Welche Möglichkeit der Berichterstattung hatten Sie?
Die Berichterstattung in der form+zweck war zwar reglementiert, aber ich konnte doch in „meinen Jahren“ als Chefredakteur einiges mehr machen als andere Kollegen in der DDR-Presse und manches nicht nur zwischen den Zeilen schreiben und schreiben lassen. Das lag nicht unwesentlich mit daran, dass die form+zweck als „etwas andere“ Fachzeitschrift nur eine geringe Auflage hatte und international einen guten Ruf, damit auch ein publizistisches Aushängeschild für die Deutsche Demokratische (!) Republik im Ausland war. Von unseren Abos gingen immerhin mehr als ein Viertel – am Ende fast ein Drittel – ins Ausland, davon die Mehrzahl nach Westdeutschland! Vielfach fanden auch Themen zu Designprozessen im sozialistischen wie im westlichen Ausland Niederschlag in unserer Zeitschrift. Wir hatten nicht nur freie Auslandskorrespondenten im sozialistischen Ausland, die regelmäßig berichteten, und es gab Themenhefte zu einzelnen Ländern, etwa Polen oder Ungarn – in den 1980er Jahren konnten wir auch mehr und mehr namhafte West-Autoren mit ihren Themen wie „Design und Management“ oder „Design und Marketing“ exklusiv bei uns drucken Die erhielten ihre Honorare sogar in D-Mark überwiesen. Das war für mich als Chefredakteur jedes Mal ein befriedigender aber auch skurriler Augenblick, wenn ich diese Honoraranweisungen unterzeichnete.
In den 70er und 80er Jahren war die DDR Exportweltmeister. Insbesondere im Bereich Möbel gab es Spitzenleistungen der Formgestaltung. Wie wurde den Bürgern vermittelt, dass diese Produkte meist jedoch nicht im Lande selbst zu erhalten waren?
Die Antwort ist ganz einfach: Es wurde gar nicht vermittelt! Zwar wurde diese Tatsache von der Bevölkerung deutlich wahrgenommen und kommentiert – Indikator waren die alle vier Jahre in Dresden stattfindenden Kunstausstellungen, dort gab es seit 1956 eine eigene Abteilung für Kunsthandwerk/Formgestaltung. Zu lesen war dann regelmäßig in den Gästebüchern: Wunderschöne Produkte, wenn wir sie nur kaufen könnten! Man muss aber auch sehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gar keinen großen Wert auf „modern“ gestaltete Produkte hatte. Sie bevorzugte (wenn sie denn die Wahl gehabt hätte) bei Wohnraummöbeln doch die biedere Zeulenroda-Produktion oder die „rumänische Variante“ mit Zierleisten-Schnickschnack oder hochglanzpolierte Palisanderoberflächen, eben eher rustikal oder auch „mondän“ als funktional und sachlich.
Ist es nicht so, dass eine bewusste Ignoranz der ostdeutschen industriellen Kulturtradition dazu beigetragen hat, dass mehrheitlich die Meinung vertreten wird, DDR-Design reduziere sich auf freudloses und farbloses sozialistisches Einheitsdesign, wenn es überhaupt je existierte?
Ja, auch. Sicher. Aber es war nicht nur die Ignoranz des Westens. Auch die Designpolitik der DDR war nicht schuldlos. Dieses Bild vom abwesenden Design in der DDR wurde schon auch maßgeblich von den DDR-Betrieben und Kombinaten und auch dem AiF mit verursacht. Das Design in der DDR trat ja auf dem Weltmarkt oft anonym auf, ausgenommen Investitionsgüter, die ihre Herkunft und ihre Marken wie TAKRAF oder SKET stolz tragen durften. Und die Designerinnen und Designer blieben überhaupt ungenannt, konnten sich „draußen“ nie einen Namen machen. Also gab es sie für „die drüben“ auch nicht, ist doch klar.
Bernhard E. Bürdek schreibt in seiner Rezension Ihres Buches „Das große Lexikon DDR-Design“ von einer vergangenen Designwelt. Sehen Sie das auch so?
Ja, das sehe ich teilweise auch so. Es ist ja tatsächlich so: das Design, das auf der Fläche der DDR bis 1989/90 entstand, ist ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Aber zum Glück leben ja auch manche Dinge weiter, werden auch weiter entwickelt – wie eben z. B. der Multicar und auch die Kahla-Produkte.
2003 war der Film „Good Bye, Lenin“ ein Riesenerfolg in den Kinos – eine vielfach preisgekrönte Ost-West Komödie, in der ein Jahr nach Maueröffnung verzweifelt nach DDR-Produkten gesucht wird: Spreewaldgurken, Mocca Fix Gold und Rotkäppchen Sekt. Sind das Ampel- oder Sandmännchen DDR Design, Revival oder Nostalgie?
DDR-Design lässt sich eben nicht nur darauf reduzieren. Viele wesentlichere serielle Produkte sind heute noch in Gebrauch und auch in Produktion, ohne dass es den Menschen bewusst ist. Im Presswerk Ottendorf-Okrilla bei Dresden und im thüringischen Wolkenstein z.B. werden auch im Jahr 2009 noch Kunststoff-Artikel hergestellt und offenbar gut verkauft, deren Entwürfe teilweise aus den 1960er Jahren, viele aus den 1970er und 1980er Jahren stammen. Bezeichnender Weise alles Dinge, die seinerzeit von profilierten DDR-Designern gestaltet wurden wie dem Altmeister der DDR-Kunststoffgefäße-Kultur Albert Krause. Sein Plaste-Einkaufskorb von 1962 für die ersten Selbstbedienungsläden in der DDR ist immer noch in Haushaltwarengeschäften präsent, heut freilich in einer viel reicheren Farbenpalette. Und dass Jugendliche oder junge Erwachsene ohne direkten Bezug zum DDR-Design sich jetzt plötzlich für DDR-Produkte interessieren – also ich denke, das hat weniger mit Ostalgie zu tun. Das ist ein anderes, gar nicht neues, ist ein schlichtes Generations-Phänomen: für mich vergleichbar mit dem Interesse in meiner Jugendzeit Ende der 1950er Jahre an Jugendstil-Dingen. Man interessiert sich dafür, weil es die Lebensbegleiter der Großeltern waren, und die sind ganz einfach interessant, exotisch, schick – oder „geil“, wie das heute so blöd heißt. Im Übrigen ist ja diese ganze Ostalgie-Welle nichts weiter als eine West-Erfindung von Marketing-Leuten!
Sie haben viele Bücher zum Thema DDR-Design geschrieben. Welches ist Ihr liebstes und warum?
Das aktuelle: „Die geteilte Form“, eine Anthologie von Wortmeldungen ost- und westdeutscher Designaktivisten zu ihren Wahrnehmungen im gespaltenen Deutschland zwischen 1949 und 1989. Hier kommt zusammen, was zusammen gehört. Von geteilten Visionen und geteiltem Leid bis zu Reflektionen überwundener oder auch immer noch bestehender Vorurteile. Darunter auch Texte, die bis in die Entstehungszeit unmittelbar nach der Wende zurückreichen und sich heute als unerhört prophetisch erweisen.
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(Das Interview führten Sonja Förster, Jutta Ochsner, VDID. Eine Kurzfassung ist in der Vereinszeitschrift DDV extra 3/2009 erschienen.)