Ganz und gar nicht verstaubt

Seit genau 80 Jahren werden in Altenburg Staubsauger unter dem Markennamen Omega produziert. Auf dieses Jubiläum sind die heute knapp 40 von ehemals 10000 Omega-Beschäftigten sehr stolz. Dass die heutige Omega Haushaltgeräte Altenburg GmbH nämlich nach der Wende trotz Treuhand-Misswirtschaft wieder Fuß im Markt fassen konnte, ist ganz allein ihr Verdienst.

“Wirklich? DDR-Design?!” Alessandro Mendini, der Maestro des heitersten unter den zeitgenössischen italienischen Designs, ist in die Hocke gegangen. Seine von der starken Brille noch vergrößerten staunenden Augen spiegeln sich in der verchromten Kappe des Omega 1064 wider. Der auf drei Rädern dem Wohnungs- oder Bürostaub nachspürende rundliche elektrische Saubermann war in den fünfziger Jahren der Traum jeder ostdeutschen Haus- und Putzfrau, wie auch seine schlankeren, für den Handgebrauch geschaffenen Brüder.

Im Sommer und Herbst 2000 sind Omega-Staubsauger wieder Stars, in einer Präsentation von DDR-Produkten im Rahmen der großen Bonner Ausstellung “4:3”, die 50 Jahre italienisch-deutsche Designkonkurrenz reflektiert. In ihr zeigen sich nicht nur aus Italien angereiste Topdesigner wie Mendini und Bellini und De Lucci überrascht von den gezeigten vergangenen ostdeutschen Waren- und Lebenswelten, auch der Wessi steht ein wenig irritiert vor so manchem einnehmenden Produkt der untergegangenen sozialistischen Plan-, Mangel- und Misswirtschaft.

“Aber der hier war doch in Italien massenhaft auf dem Markt! Den hat die DDR ja nur nachgebaut”, weiß ein Fachjournalist aus Mailand anzumerken, [paycontent]auf das kleine, eigentlich nur aus zwei Kunststoff-Kegelstümpfen zusammengesetzte Omega-Modell 7000.5 von 1963 weisend. Der Signore irrt. Jenes Multifunktionsgerät, das nicht nur als Mini-Staubsauger, sondern auch als Schuh- und Autopoliergerät und sogar als elektrische Kaffeemühle zu gebrauchen war, kam sehr wohl aus den Altenburger Omega-Werkstätten – nur konnte das niemand in Italien, Frankreich oder den Benelux-Ländern wissen. Der DDR-Exportschlager musste in Westeuropa als Noname-Produkt über einen niederländischen Grossisten vertrieben werden. Wegen der handelspolitischen Lage im allgemeinen und der so durch den DDR-Außenhandel erzielten, etwas höheren Deviseneinnahmen im besonderen.

Von den vor der Wende jährlich in Altenburg produzierten 750 000 Omega-Handstaubsaugern gingen 400 000 in den Export, darunter je etwa 100 000 allein nach Italien und Frankreich. “Und wir hätten noch viel mehr verkaufen können, aber die Kapazitäten reichten nicht aus. Deshalb war geplant, die Fertigung Anfang der 90er Jahre auf einen Ausstoß von einer Million Stück auszubauen. Aber daraus wurde dann ja nichts mehr…” Für den Geschäftsführer der heutigen Omega Hausgeräte Altenburg GmbH Jürgen Gebhardt keine Geschichte vom Hörensagen, sondern aktiv miterlebte. Seit 1976 “Omega-Mann”, hatte er sich nach abgeschlossenem Physikstudium zunächst um die Qualitätssicherung im damaligen Altenburger Kombinatsbetrieb von Elektrogeräte Suhl zu kümmern und war dann für die Erzeugnisentwicklung des Werkes mit seinen eintausend Beschäftigten zuständig.

Nach der Wende sah es zunächst ganz so aus, als sollte vom Namen Omega tatsächlich nur noch eine mitteldeutsche Industriegeschichts-Episode übrigbleiben. Aber wider Erwarten sind Produkte mit dem seit den 20er Jahren grafisch fast unverändert gebliebenen charakteristischen schwungvollen Namenszug heute doch nicht nur historisches Designsammler- und Ausstellungsgut, sondern inzwischen wieder zunehmend nachgefragte Markenware.

Derzeit sorgen bei Omega 36 Mitarbeiter für eine von Grund auf erneuerte Handstaubsauger-Produktion, die in Stückzahlen immerhin wieder ein Zehntel deren von 1989 ausmacht und allmählich, aber stetig wächst. Mit einem Absatz von 80 000 Geräten wird für 2000 gerechnet, der Jahresumsatz entwickelte sich von zwei Millionen Mark 1996 auf jetzt zu erwartende rund sieben Millionen.

Das Jahr 1996 ist der Beginn der neuen Zeitrechnung bei Omega. Da zogen Jürgen Gebhardt und drei weitere “Altvordere” (Gebhardt: “Eben eine Altenburger Viererbande”) sich beziehungsweise den Betrieb am eigenen Schopf per MBO aus dem Konkursverfahren, in das ein fatal-nachlässiges, unprofessionelles Treuhand-Management, endend mit einem ruinösen Privatisierungs-Desaster, geführt hatte. “Nachdem Omega ein ganzes Jahr schon völlig vom Markt war, haben wir dann die Produktion erneut anlaufen lassen und die Vertriebslinien wiederbelebt. Heute sind wir unter anderem auch da wieder drin, wo wir schon vor der Wende tüchtig präsent waren: bei Otto Versand, Neckermann, Bauer und Klingel. Aber nicht mehr ausschließlich verborgen unter ‚Privileg‘, ‚Hanseatic‘ und so weiter, sondern immer öfter mit unserem guten eigenen, übrigens fast hundertjährigen Namen Omega.”

Jürgen Gebhard wird nicht müde zu unterstreichen, dass die Revitalisierung des Traditionsmarkenherstellers und der nun auch in Westdeutschland wachsende Bekanntheitsgrad von Omega freilich ohne Landesbürgschaften und den Hausbank-Partner Sparkasse Altenburg (“Die sitzen übrigens jetzt in unserem ehemaligen Hauptwerk in der Innenstadt”) undenkbar gewesen wäre. Über ein Jahr lang war vor dem Neustart gemeinsam an der Finanzierung “gebastelt” worden, denn das damalige Betriebsvermögen sei von der Haftung her gegenüber den Banken, so Gebhardt, “überhaupt nicht darstellbar gewesen”. Aber die schließlich für die Rationalisierung und Modernisierung der Produktion bereitgestellten Investitionsmittel von mehreren Millionen Mark seien eben auch eine langfristige, schwere Hypothek. “Die Tilgung gestaltet das Betriebsergebnis heute immer noch negativ.”

Dass das mittelständische Existenzgründungsunternehmen Omega GmbH überhaupt als kreditwürdig angesehen wurde, ist vor allem dem konsequenten und, wie sich nun zeigt, erfolgreichen Marktnischen-Konzept der Geschäftsführung zu verdanken. Jürgen Gebhard umreißt es so: “Die Nische, die wir sahen und bis heute bestens bedienen können, heißt ‚Handstaubsauger‘. Von den Großen der Branche wird sie eher vernachlässigt, weil da keine großen Margen zu erzielen sind. Weltweit werden bei Staubsaugern zu etwa 90 Prozent Bodengeräte hergestellt. Wir setzen auf unser Produkt wegen einiger unübertroffener funktionaler Vorteile, die für bestimmte Nutzergruppen sehr attraktiv sind: Handstaubsauger sind klein, heute ultraleicht und handlich, beispielsweise auf Treppen und in Single-Haushalten und vor allem auch für ältere Menschen klare Favoriten. Das Gerät kann platzsparend immer zusammengesteckt aufbewahrt werden, es gibt keine ‚Schlauchkämpfe‘ wie beim Bodenstaubsauger. Und wer den dennoch bevorzugt, greift immer noch gern zum preiswerten und leistungsstarken Handstaubsauger als Zweitgerät fürs Wochenendgrundstück oder die Autoreinigung. – Unser neues Modell ‚Omega Contur‘ ist übrigens der leichteste Handstaubsauger, der zur Zeit in Europa zu haben ist, und der soeben auf den Markt gekommene ‚Omega Apart 1500 E‘ der mit Abstand leistungsstärkste.”

Original-Omegas haben zudem (schon immer) einen besonderen funktionalen Mehrwert, den mittlerweile auch die Konkurrenz entdeckt hat und nachahmt: Die am Gehäuse angegossenen zylindrischen Steckstutzen ermöglichen es, problemlos das lange und das kurze Rohr wechselweise ans Saug- oder Griffende zu versetzen – ein unschätzbarer Vorteil beispielsweise beim Herumfuhrwerken unter tiefen Möbeln oder Betten.

Wie der erfolgreiche Auftritt der Omega-Oldies in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle belegt, zählt auch die Entwicklung einer eigenständigen, kultivierten Formensprache zum guten Altenburger Erbe. Dem Unternehmen von heute ist dieses jedoch nicht nur Verpflichtung an sich. Design wird vielmehr als unerlässlicher Markterfolgs-Faktor betrachtet, unterstreicht der Geschäftsführer: “Auch hier setzten wir von 1996 an auf Kontinuität. Schon immer gingen unsere Modelle durch professionelle Designerhände, seit den fünfziger Jahren. In den 80ern hatten wir dann besonders gute Kontakte zum Fachbereich Produktdesign an der Hochschule Halle-Burg Giebichenstein entwickelt, unter anderem Diplomarbeitsthemen dorthin vergeben. Aus diesen positiven Erfahrungen hat sich unsere heutige enge Zusammenarbeit mit einem ehemaligen Burg-Absolventen entwickelt, Steffen Assmann. Er ist auch der ‚Vater‘ unseres neuesten Omega, des ‚Apart‘. Gerade auch, was den Stellenwert des Designs betrifft, kam für uns kein Einbruch in Frage – wohl aber ein Generationswechsel in der Sprache der Dinge. So haben wir heute beispielsweise einerseits zu berücksichtigen, dass es eine gewisse Globalisierung des Formenkanons gibt und andererseits einen raschen Wechsel etwa in der Farbskala, was beides interessanterweise fast identisch mit dem Trend in der Autoindustrie verläuft.”

Omega, eine der solidesten und traditionsreichsten Marken Ostdeutschlands, hat überlebt. Jetzt wäre es für das Unternehmen dringend geboten, sein neu erworbenes gutes Image mit intensiver, gezielter Markenpflege im Handel kräftig publik zu machen. In dieser Hinsicht sind die zur Zeit aus Altenburg kommenden Werbe- und PR-Botschaften zur Zeit allerdings noch weit vom Optimum entfernt. Was spricht dagegen, auch hier in die Offensive zu gehen? “Nur ein einziges Argument: die für so etwas absolut fehlenden Investitionsmittel”, entgegnet Jürgen Gebhardt. “Das ist ja das generelle Problem mit uns eigenkapitalschwachen ostdeutschen Qualitätsanbietern. Wenn wir es geschafft haben, aus den Startlöchern heraus gekommen zu sein und gut im Rennen zu bleiben, kommt irgendwann der Punkt, an dem wir wegen der erfreulichen Auftragslage und damit verbundener notwendiger weiterer Investitionen in Technik, Vertrieb und Imagepflege wieder bei den Banken pumpen gehen müssten, zu den noch lange nicht getilgten Schulden uns neue aufladen. Das ist für die Kreditinstitute ein Problem, und für uns erst recht.”

Wahrlich kein spezifisches Omega-Desaster. Auf der Ende September im Berliner Haus der Wirtschaft stattgefundenen “4. Deutschen Designkonferenz”, die sich ausschließlich dem gerade angesichts des Vormarsches der Neuen Medien hochaktuellen Thema “Faszination der Marke – neue Herausforderungen an Markengestaltung und Markenpflege” widmete, waren ostdeutsche mittelständische Unternehmen weder auf der Referentenliste noch in erwähnenswerter Anzahl unter den Teilnehmern zu finden. Auch Omega und Jürgen Gebhardt nicht. “Drei Tage Abwesenheit im Betrieb und anderthalbtausend Mark cash für einen Sitzplatz, um zu hören, wie Mercedes seine Marken pflegt? Indiskutabel für uns.”

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(Beitrag für „Wirtschaft & Markt“Berlin 2000, nicht veröffentlicht)

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