In Berlin-Mitte eröffnete ein privates DDR-Museum
Es war Schlimmes zu erwarten. In den ersten Ankündigungen für die Installation seines Berliner Privatmuseums zur Alltagsgeschichte der DDR schwärmte der Freiburger Museumsgründer vor Jahresfrist davon, dass ein zackiger VoPo die Besucher zur Kasse mit Zwangsumtausch bitten würde. Man ahnte, wohin der beziehungsweise das anschließend führen würde: zum Trabi, zu Winkelementen, Pionier- und FDJ-Blusen, Anbauschrank und Alu-Besteck, ATA und IMI, Plaste und Elaste, Mauer und Stasi, wollte es aber doch nicht so recht glauben. Genau so ist es aber nun gekommen. Zum Glück hat man auf den Volkspolizisten verzichtet, womöglich aber nur vorerst. Für den bei der Eröffnung am vergangenen Samstag die Museumskatakombe am Spree-Ufer unterm DomAquarée grimmig durchstreifenden beleibten Zerberus mag keine Originaluniform in seiner Konfektionsgröße aufzutreiben gewesen sein.
Ansonsten auf den 300 Quadratmetern dort unten: alles „original DDR“ – und wenig darunter, das eine argusäugige Aufsicht wert wäre. Zu viele abgeschmackte Armseligkeiten, die selbst kaum noch auf Ostflohmärkten angeboten werden. Nicht, weil sie etwa inzwischen so rar geworden sind, sondern weil das einfach blödes Zeug ist, für das keiner mehr einen Cent herausrücken will: Plasttrinkhalme, Papierfähnchen und ähnliche Putzigkeiten. Manches davon hinter Glas, wie der ramponierte Pappkoffer zum Thema „FDGB-Urlaub“, anderes in beschrifteten Schubkästen zu „entdecken“, so der Ferienscheck und die Schwarzweiß-Ansichtskarte dazu. Kein Klischee zu profan, um es nicht bei Schummerbeleuchtung zu bedienen. Das Platten-Wohnzimmer mit Küchen-Durchreiche und gruseliger Strukturtapete, in der holzfoliebeschichteten Schrankwand eine Büffet-Uhr aus den Sechzigerjahren, drei Holz-Matrjoschkas und sozialistischer (was sonst?) Lesestoff, auf dem abgewetzten Couchtisch „rustikale“ glasierte braune Saftservice-Keramikbecher nebst blauem Kneipen-Glasascher und weinroter Reliefkerze auf schmiedeeisernem Halter, darüber baumelt eine dieser von Fransenborte gesäumten Raffstofflampen. Im Schubkasten der Einbauküche eine Versammlung vom Allerschlichtesten, das die DDR-Besteckindustrie produzierte, nämlich Kantinen- und Schulspeisungs-Aluminium. Edelstahlbestecke gab es im DDR-Alltag offensichtlich ebenso wenig wie Tafelporzellan oder modernes Glas, auch kaum Rundfunkgeräte, ebenso wenig Staubsauger, Näh- und Schreibmaschinen oder anspruchsvolles Spielzeug. [paycontent]Dafür Papierfähnchen, die – neckisch, neckisch – unablässig hinter Glas winken. So war die DDR. Ein gequält-fröhliches Leben zwischen Stasi-Abhör-Zelle mit Honecker-Konterfei im Hauskeller und FKK-Strand an der Ostsee. Auf dessen Panorama-Darstellung ist besondere Sorgfalt verwendet worden, ebenso wie in einer der zentralen Glasvitrinen des Museums auf die Ausbreitung des hier suggerierten gesellschaftlichen Themas Nummer Eins für den DDR-Bürger: Bohnenkaffee und Kaffeeersatz.
Weniger Aufwand hingegen betrieb man mit den kargen Texten in dieser DDR-Nekropole. Ergüsse wie der unterm Humboldt-Uni-Logo, dass „Studieren sich nicht in barer Münze ausdrückte“ und im ostdeutschen Staat „nur ca. zehn Prozent studieren durften“ lassen fragen, woher die Museumsinhaber ihre Weisheiten haben und wofür sie extra einen „wissenschaftlichen Berater“ engagiert haben.
So viel Oberfläche war noch selten zu sehen und zu lesen zum Thema DDR-Alltagskultur.
Dabei existierten schon längst Sammlungen und Museen außerhalb der Hauptstadt, bei denen man sich hätte abgucken dürfen, wie das funktionieren kann, „DDR-Alltagsgeschichte zum Anfassen, lebendig und interaktiv zu vermitteln“ – so wie es die Berliner Museums-Initiatoren als konzeptionelle Novität vollmundig versprachen. Das Eisenhüttenstädter Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR tut dies seit 1993 auf exzellente Weise, in Lutherstadt Wittenberg existiert ein ähnliches Museum, das Sächsische Industriemuseum Chemnitz lenkt in seinem ständigen Ausstellungsbereich einen erhellenden Zeitstrahl auf die Karl-Marx-Stadt-Jahrzehnte, und auch im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland findet DDR-Alltag kritisch-solide betrachtet statt.
Ein Berliner DDR-Alltagsmuseum wäre also gar nicht nötig gewesen. Ein solches sowieso nicht. Wer sich diese recht einfältige Privatsammlung aus Dunkeldeutschland (so nennen witzige Wessis das Gebiet zwischen Rügen und Vogtland) dennoch ansehen möchte: Zwangsumtausch ist also nicht. Man wird seine 5 Euro Eintritt einfach so los.
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(Ausstellungsrezension für Märkische Oderzeitung (MOZ), 28. 07. 2006, erschienen unter „Klischees vom Ostseestrand“)